15. Juli 1968
1555, 21-28 Die Sowjetunion läßt ... ist demnach gesund - Vgl. den Artikel »Pravda Says NATO Pries Into Warsaw Pact Exercise« der NYT vom 15.7.1968: »The Soviet Communist party newspaper Pravda accused the North Atlantic Treaty Organization today of showing a ›morbid interest‹ in Warsaw Pact naval maneuvers in the North Atlantic.
Ships from the Soviet Union, Poland and East Germany are carrying out joint exercises in the area for the first time.
Pravda said that planes of the Western alliance were circling Soviet ships and that the British destroyer Chichester turned up in the exercise area.«

1555, 24 Nordatlantischen Vertrages - s.K. 42, 16f.

1555, 29-34 Den Abzug ihrer ... für lebenswichtig erklärt - An der Tagung am 14./15.7.1968 nahm die Tschechoslowakei, angeblich wegen eines Terminmißverständnisses, nicht teil. Die NYT vom 15.7.1968 zitiert als »offizielle Presse« die poln. »Trybuna Ludu« vom 14.7.1968: »A decided rebuff to the forces of reaction and imperialist maneuvers in Czechoslovakia is of vital interest to all fraternal nations.«
Zum Hergang: Die tschechos. Parteiführung hatte sich geweigert, an einem Treffen am 22.7.1968 in Moskau teilzunehmen, u.a. weil die sowj. Truppen, obwohl besagte Manöver am 30.6.1968 beendet waren, die Tschechoslowakei noch nicht verlassen hatten. Ungewöhnlicherweise war die Einladung veröffentlicht worden, ehe sie angenommen worden war. Vom 4.-6.7.1968 schrieben die komm. Parteien der Sowjetunion, der DDR, Polens, Ungarns und Bulgariens Briefe an die KPČ, in denen sie die Demokratisierung kritisierten und ein Sechs-Nationen-Treffen in Warschau forderten. Statt des Treffens schlug Prag vor, man solle sich dort über die Veränderungen informieren. Von dem Warschauer Treffen, das ohne die Tschechoslowaken stattfand, kam die erneute Forderung an die KPČ, nach Moskau (später auch Kiew oder Lwow) zu kommen (s.K. 1572, 31f.; 1572, 34-1573, 11), man einigte sich schließlich auf Čierna (s.K. 1668, 35-1669, 9) an der tschechos.-sowj. Grenze; vgl. NYT 21.7.1968, s.K. 1616, 29-32.

1556, 1 Tito - Jossip Broz Tito (25.5.1892-4.5.1980), seit 1937 Generalsekretär der komm. Partei Jugoslawiens, organisierte mit sowj. und brit. Hilfe 1941 den Widerstand gegen die dt. Truppen; seit 1945 Ministerpräsident; 1948 Bruch mit Stalin, da Tito den Kommunismus an die nationalen Besonderheiten Jugoslawiens anzupassen versuchte (Titoismus; s.K. 1556, 20). Er strebte Selbstverwaltung und Dezentralisierung an und propagierte für jedes Land einen eigenen Weg zum Sozialismus.

1556, 1-3 Tito, nach dessen ... und Slowaken anwendet - Die NYT vom 15.7.1968 bezieht sich auf ein Interview mit Tito in der ägyptischen Zeitung »Al Ahram« vom 14.7.1968: »Tito said [...] he did not believe anybody in the Soviet Union would be so ›short-sighted‹ as to use force to halt the liberation movement in Czechoslovakia.«

1556, 9-12 sangen von Spaniens ... dem Wort Spanien - Lied der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, Text: Gudrun Kabisch, Melodie: Paul Dessau.
    Spaniens Himmel breitet seine Sterne
    über unsre Schützengräben aus.
    Und der Morgen leuchtet in der Ferne,
    bald geht es zu neuem Kampf hinaus.
    Die Heimat ist weit,
    doch wir sind bereit,
    zu kämpfen und siegen für dich,
    Freiheit!

    Dem Faschisten werden wir nicht weichen,
    schickt er auch die Kugeln hageldicht.
    Mit uns stehn Kameraden ohnegleichen,
    und ein Rückwärts gibt es für uns nicht.

    Rührt die Trommeln, fällt die Bajonette!
    Vorwärts! Marsch! Der Sieg ist unser Lohn!
    Mit der Freiheitsfahne brecht die eine Kette!
    Auf zum Kampf, das Thälmann-Bataillon!

1556, 19 Gegenwartskunde - Seit 1951 Schulfach in der DDR für politisch-ideologische Kenntnisse (marxistische Theorien und aktuelle Politik), seit dem Schuljahr 1957/58 in Staatsbürgerkunde umbenannt; galt als Kernstück der soz. Bildung und Erziehung; s.K. 1586, 4.

1556, 20 die fünf Ärgernisse ... Stalin mit Tito - Tito hatte Stalin bzw. den Stalinismus in fünf Punkten kritisiert:
  1. Die Sowjetunion sei unter Stalin ein imperialistischer Staat geworden und treibe eine unsozialistische Außenpolitik.
  2. In der Sowjetunion herrsche Ungleichheit und Unterdrückung zwischen den Nationen, da die Großrussen sich als »führende Nation« verstünden.
  3. Die Sowjetunion habe sich zu einem Klassenstaat mit einer bürokratischen Oberschicht entwickelt.
  4. Statt soz. Demokratie herrsche ein zentralistischer Bürokratismus, der sich in der Wirtschaft als Staatskapitalismus, in der Politik als Herrschaft der Verwaltung und der politischen Polizei beweise.
  5. Die Ideologie verdiene den Namen Marxismus-Leninismus nicht mehr, da sie dogmatisch erstarrt und wirklichkeitsfremd sei und den Machthabern zur Verschleierung der wirklichen Verhältnisse diene.
Vgl. Fetscher (1973), S. 147.
Das Informationsbüro der Kommunistischen Parteien veröffentlichte am 30.6.1948 eine Resolution, die den jugoslawischen Kommunisten (1.) »bürgerlichen Nationalismus«, (2.) »Unterstützung der kapitalistischen Elemente auf dem Dorf«, (3.) »sowjetfeindliche Einstellung«, (4.) »ein militaristischbürokratisches System« und, noch einmal die Landwirtschaftspolitik betreffend, (5.) »abenteuerliche Linksabweichungen« vorwarf.
Eine weitere gegen Tito gerichtete Kominform-Resolution wurde im November 1949 verabschiedet; vgl. Halperin (1957), S. 372-386.

1556, 37 Kreml - s.K. 138, 39.

1556, 38 lügen taten wir alle - Anspielung auf Margret Boveris Buch »Wir lügen alle. Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler. Texte und Dokumente zur Zeitgeschichte«, Freiburg im Breisgau 1965. Das Exemplar in Johnsons Bibliothek enthält eine Widmung M. Boveris.

1557, 24 Schülerselbstverwaltung - Die Schülerselbstverwaltungen wurden am 19.12.1948 vom Volksbildungsminister aufgelöst, weil sie gegen §6 des Schulgesetzes vom 3.6.1946 gebildet wurden. Die Vertretung der Schüler sollte allein durch die FDJ (s.K. 1559, 13f.) erfolgen; s. 1559, 12f.; 1719, 4.

1557, 34f. Dieter Lockenvitz - Die Darstellung von Lockenvitz enthält autobiographische Elemente; vgl. Neumann, B. (1994), S. 20, 32, 56, 70, 74, 76-81, 85-87, 117, 178, 479, 799; Stübe (1997); vgl. Register.

1557, 39 dem guten Tachir ... Suchra zu holen - »Tachir und Suchra« (Tachir i Suchra), sowj. Film, Studio Taschkent, 1945; Regie: N. Ganijew, Drehbuch: A. Speschnew, Kamera: D. Demuzki.

1558, 2f. die in Kolberg ... den Endsieg vorspielten - Kolberg: heute poln. Hafenstadt an der Mündung der Persante in die Ostsee; wurde im 2. Weltkrieg nahezu vollständig zerstört.
Veit Harlan drehte 1943/44 mit großem Aufwand im Auftrag Goebbels’ den Durchhaltefilm »Kolberg«, der in tendenziös verfälschender Weise den Widerstand der Kolberger Bürger unter Gneisenau und Nettelbeck gegen die Truppen Napoleons 1806/07 schilderte. Regie: Veit Harlan, Buch: Veit Harlan, Alfred Braun; Darsteller: Kristina Söderbaum (s.K. 686, 22), Heinrich George, Paul Wegener; Erstaufführung: 30.1.1945. Der Atlas-Filmverleih fügte 1965 eine Dokumentation bei, die den Film in die Zeit der Entstehung einordnete und die tatsächlichen Begebenheiten erläuterte, beides wurde unter dem Titel »30. Januar 1945« gezeigt.

1558, 4f. Barlachs »Sündflut« - Drama von Ernst Barlach, 1924 erschienen und im selben Jahr in Stuttgart uraufgeführt. Dem biblischen Noah wird das verkörperte Böse gegenübergestellt, das sich fern von Kirchenglauben und frommer Naivität einen wandelbaren Gott sucht, der »schafft und vom Geschaffenen neu geschaffen wird«. 1948 inszenierte das Stadttheater Güstrow das Stück, die Aufführung wurde im November 1948 von Klassen der John-Brinckman-Schule besucht. Nach den Erinnerungen Hans-Jürgen Klugs führten Schüler der John-Brinckman-Schule in Güstrow dieses Drama am 26.8.1948 auf; vgl. Klug (1995), S. 72; Moeller (2003), S. 143; Barlach: s.K. 712, 29.

1558, 12 Endmoräne - Eine oft wellenförmige Aufhäufung von Gesteinsmaterial, die während der Eiszeit an der Stirnseite der Gletscher entstand; vgl. MJ, S. 184f.: »Endmoränen nennt man die Ablagerungen am Eisrand, Grundmoränen die der Eisfläche«; s. 1770, 24f.

1558, 20 spillriger - (nd.) mager, dürr; s.K. 120, 16.

1558, 22f. Anfang November die neuen Personalausweise - Laut Befehl Nr. 172 der SMAD vom 4.11.1948 hatte jeder über 15 Jahre alte Einwohner der SBZ sich einen »Deutschen Personalausweis« mit Lichtbild ausstellen zu lassen und ihn stets bei sich zu tragen; s. 1654, 37; 1713, 34; 1849, 3f.

1559, 13f. Freien Deutschen Jugend (F.D.J.) - Einzige Jugendorganisation der DDR für Jugendliche vom 14. bis zum 24. (Funktionäre und Studenten bis zum 28.) Lebensjahr; am 7.3.1946 unter dem Vorsitz Erich Honeckers als überparteiliche Organisation gegr. Auf dem 1. Kongreß vom 8.-10. 6. 1946 wurden noch demokratische Forderungen wie Herabsetzung des Wahlalters und Recht auf Bildung erhoben, 1949 wurden die geheimen Verbandswahlen abgeschafft und ein straffes Schulungssystem eingeführt. Die Aufnahme der FDJ in den Demokratischen Block am 6.7.1950 bedeutete ihre Umformung in eine Massenorganisation. Das IV. FDJ-Parlament im Juli 1952 bekannte sich zur führenden Rolle der SED, zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin und dem »Demokratischen Zentralismus«; so mußten die Sekretariate der Kreise und Länder von der Zentrale bestätigt werden. Kennzeichen waren das »Blauhemd« und eine blaue Fahne mit dem Symbol der aufgehenden Sonne. Schüler der Klassenstufen 8-12 wurden geschlossen aus der Pionierorganisation in die FDJ übernommen und gehörten fast ausnahmslos der FDJ an, Nichtmitgliedschaft zog Repressalien nach sich.

1559, 16f. Zentralen Schulgruppenleitung (Z.S.G.L.) - Jede Oberschule stellte eine Grundorganisation dar, die unterste Organisationseinheit der FDJ. Ihre Leitung, die ZSGL, wurde meist in nicht geheimer Wahl gewählt; s. 1611, 26; 1652, 39; 1653, 2; 1654, 11; 1682, 18, 27; 1683, 2; 1719, 13, 36; 1728, 22; 1731, 30; 1761, 15; 1800, 28f.; 1802, 8; 1823, 3.

1559, 26 Jugendfreund - Offizielle Anrede innerhalb der FDJ.

1559, 26f. er liebe alle ... blond, ob braun - Anspielung auf den Schlager »Ob blond oder braun, ich liebe alle Frau’n« aus dem Film »Ich liebe alle Frauen«, 1935, Text: Ernst Marischka, Musik: Robert Stolz, gesungen von Jan Kiepura. Refrain:
    Ob blond oder braun,
    ich liebe alle Frau’n!
    Mein Herz ist groß!
    Doch was ich tu’,
    ich denke immerzu
    An eine bloß.
    Und diese eine, diese Kleine,
    die hat Beine!
    Und einen Mund hat die Kleine,
    ja, das eine ist mir sonnenklar:
    Ob blond oder braun,
    ich liebe alle Frau’n!
    Mein Herz ist groß!
    Und doch gehört’s nur einer offenbar!
    Denn die eine, die ich meine
    küßt ja famos!

1559, 28-30 Gesellschaft zum Studium ... für die Freundschaft - Anknüpfend an die »Gesellschaft der Freunde des neuen Rußland in Deutschland« von 1923 wurde am 30.6.1947 die »Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion« gegr. Sie sollte Kenntnisse über die sowj. und russ. Kultur sowie die als vorbildlich propagierten Neuerermethoden verbreiten. Sie wurde am 2.7.1949 in »Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft« (DSF) umbenannt und zu einer politischen Massenorganisation ausgebaut; s.K. 1586, 30; 1823, 13f.

1559, 31 »gesellschaftlicher Betätigung« - Das hieß im DDR-Sprachgebrauch: aktive Mitarbeit in einer der Massenorganisationen oder anderweitiger öffentlicher Einsatz; s. 1574, 29; 1587, 5, 24f.; 1588, 29; 1759, 32; 1824, 15; 1830, 38.

1559, 34 L.D.P.D. - s.K. 1355, 29-35.

1559, 37-39 in unserer Gegend ... schönberger Krankenhaus lagen - Vgl. Berlin (1962), S. 231: »10.5.[1949]: Ein viermotoriges britisches Luftbrückenflugzeug vom Typ Lancaster wird bei einer Notlandung in der Nähe von Schwerin in der sowjetischen Besatzungszone zerstört. Die vier Besatzungsmitglieder werden schwerverletzt in ein Krankenhaus eingeliefert.«
Bei der Versorgung Westberlins auf dem Luftwege stürzten mehrere Flugzeuge ab; allein 48 amerik. und brit. Piloten starben bei Unfällen, daneben auch Bodenpersonal und Zivilisten; Schönberg: s.K. 71, 5; Blockade Berlins: s.K. 1148, 11f.

1560, 9 neuen Staatsläden - Auf Anordnung der Deutschen Wirtschaftskommission eröffnete ab 3.11.1948 das staatliche Unternehmen »Handelsorganisation« (HO) sog. »Freie Läden«. Damit sollte zum Beginn des Zweijahresplanes am 1.1.1949 die Warenverteilung entsprechend des planwirtschaftlichen Systems erfolgen. Anfangs waren dies die einzigen Verkaufsstellen, die knappe markenfreie Waren zu erhöhten Preisen verkaufen durften, während in den übrigen Geschäften (dem bislang genossenschaftlichen »Konsum« und privaten) nur rationierte Waren mit Preisbindung verkauft wurden. Diese Preispolitik wurde 1958 aufgehoben; s.K. 1863, 5f.; s. 1574, 31f.; 1586, 19; 1606, 14f.; 1861, 17.

1560, 29f. »Du HAST ja ... dich nicht irrst ... « - Titel eines FDJ-Liedes; Text und Musik: Louis Fürnberg, 1936:
    Du hast ja ein Ziel vor den Augen,
    damit du in der Welt dich nicht irrst,
    damit du weißt, was du machen sollst,
    damit du einmal besser leben wirst.
    Denn die Welt braucht dich genau wie du sie,
    die Welt kann ohne dich nicht sein.
    Das Leben ist eine schöne Melodie,
    Kamerad, Kamerad stimm ein.
    Allen die Welt und jedem die Sonne,
    fröhliche Herzen, strahlender Blick.
    Fassen die Hände Hammer und Spaten,
    wir sind Kameraden, Kämpfer fürs Glück.

1560, 31 gegen die griechische Regierung - s.K. 1552, 17f.

1560, 32 Maos Sieg bei Sütschou - Die Rote Armee unter Mao Tse-tung (s.K. 161, 25) errang 1948 in vier Kesselschlachten bei Djinan, Shenyang, Peking und Sütschou Siege über die Kuomintang-Truppen.

1560, 35 Organza - Zartes, aber steifes Gewebe; ursprünglich aus Naturseide, später aus Chemiefasern hergestellt.