05. März 1968
822, 31 5. März 1968 – Dies ist der 15. Todestag Stalins, und der Kalendereintrag enthält allerlei Wissenswertes über Küchenschaben.
Ossip Mandelstam (s.K. 601, 20f.) vergleicht in seinem Gedicht »Wir leben, unter uns das Land nicht kennend« von 1933/34 Stalins Schnurrbart mit einer Kakerlake, ein Vergleich, der nicht nur im russ. Original zu finden ist (»Tarakani smejutsa usischtscha«), sondern der auch in der dt. und engl. Übersetzung beibehalten wird. Dieses Gedicht, ungewöhnlich in seiner einfachen Sprache, war Anlaß zu Mandelstams erster Verhaftung im Mai 1934 und seiner Verbannung nach Woronesch bis 1937.
    Wir leben, unter uns das Land nicht kennend,
    unhörbar unsre Worte auf zehn Schritt,
    und wo es reicht für ein kleines Gespräch –
    wird der Kremlbergbewohner erwähnt.

    Seine dicken Finger, fettig wie Würmer,
    und seine Worte - wie Zentnergewichte.
    Wie eine Kakerlake lacht sein Schnurrbart,
    und es glänzt sein Stiefelschaft.

    Und um ihn herum das Pack der dickhäutigen Führer,
    er spielt mit den Diensten von Halbmenschen.
    Wie Hufeisen schmiedet Befehl um Befehl er –
    dem in die Stirn, dem in die Braue, dem in die Leiste, dem ins Auge.
    Welche Todesstrafe immer – es ist eine Himbeere,
    und breit ist die Brust des Osseten.

Das russ. Wort »malina« (Himbeere) bedeutet im Slang »verbrecherischer Plan«. Es gab Gerüchte, daß Stalin kein Georgier sei, sondern von dem kaukasischen Bergstamm der Osseten abstamme; vgl. Mandelstam (1991), S. 459.

    His fingers are fat as grubs
    And the words, final as lead weights, fall from his lips
    His cockroach whiskers leer
    And his boots gleam.
Figes (2003), S. 483f.

Stalin mit einer Kakerlake zu vergleichen, mag auch auf das in der Sowjetunion sehr populäre Kindergedicht Kornej Tschukowskijs (1882-1969) »Tarakanschtsche« zurückgehen, in dem eine schnurrbärtige Schabe alle Waldtiere terrorisiert.

822, 34-823, 5 Heute heißt es ... noch einmal nach - Vgl. den Artikel »$12-Million Plot Foiled At Chase« der NYT vom 5.3.1968: »A scheme to steal almost $12-million from the Chase Manhattan Bank came within one word of success, United States Attorney Robert M. Morgenthau said yesterday.
A fraudulent cable from Chase to a Swiss bank, he said, requested the transfer of the money in dollars, if the request had been for Swiss francs [...] the Swiss bank might not have become suspicious and cabled Chase for confirmation. [...]
Mr. Morgenthau said that the defendants had prepared a forged and fraudulent cable authorization form that directed the wire department of the Chase Manhattan to instruct the Union Bank of Switzerland in Zurich to charge the Chase account $11,870,924 and to credit this amount to the Exchange and Investment Bank.«

822, 34f. Chase Manhattan Bank - Chase Manhattan Bank National Association, eine der größten Depositenbanken der USA, 1955 aus dem Zusammenschluß der Chase National Bank of the City of New York (gegr. 1877) und der Bank of the Manhattan Company (gegr. 1799) entstanden.

823, 7-9 Und als der ... Nest von Kakerlaken - In einer Fußnote zu Robert W. Stocks Artikel »It's always the Year of the Roach« (NYT Magazine 21.1.1968, S. 34) erfährt man von den Mühen der literarischen Küchenschabe »archy«, einer Schöpfung des Journalisten Don Marquis: »The handicap cockroaches live under are illustrated by the fact that poor archy was unable to work the shift key on Marquis's typewriter and had to be content with lower-case letters always.«

823, 13-
827, 11
Wenn die Stadt ... hinterher, unwidersprochen fluchend - Johnson bezieht sich hier - an Stalins Todestag - z.T. wörtl. auf Berichte über die Forschungen von Dr. Halla Brown und Dr. Harry S. Bernton über Küchenschaben als Allergie-Erreger in DER SPIEGEL vom 27.11.1967, S. 212-214 (»Forschung/ Kakerlaken/ Asthma von Preußen«), und im NYT Magazine vom 21.1.1968, S. 34-43 (Robert W. Stock: »It's Always the Year of the Roach«) sowie auf Catherine Breslins Artikel »Coping with the Cockroach« in der Zeitschrift »New York« vom 9.3.1970, S. 56-59; vgl. Mecklenburg (2001), S. 255-259. 

823, 22 war eine Schabe ein Werkzeug gewesen - Scharfkantiges Werkzeug der Böttcher und Tischler zum Ausgleichen von Unebenheiten.

823, 26-29 Denn sie können ... kaum getan gewesen - »Asthma und Hautausschläge, so berichteten die Washingtoner Allergie-Experten Dr. Halla Brown und Dr. Harry S. Bernton jüngst in dem amerikanischen Fachblatt ›Southern Medical Journal‹, können durch Absonderungen der Deutschen und der Amerikanischen Schabe sowie der Küchenschabe (Blatta orientalis) hervorgerufen werden. [...] Die New Yorker Ärztin Dr. Maryf. Lerner hatte von einem Patienten berichtet, der ein Kakerlaken-Versteck aufstöberte und die Schädlingskolonie zertrat. Zwei Tage später begann der Mann unter juckendem Hautausschlag zu leiden. Der Juckreiz verschwand erst, als der Patient seine mit Schabenresten verunreinigten Schuhe und Kleidungsstücke wegwarf«, DER SPIEGEL 27.11.1967, S. 212f.

823, 30-33 Der Luftzug, den ... das Biest weggehuscht - »Most likely, the warning will be picked up by tiny hairs on their bodies which bend with a breath of air. The typical sequence: shoe descends, hairs bend, message reaches the roach’s powerful back legs (without any stopover in the brain), roach scoots, shoe reaches floor«, NYT Magazine 21.1.1968.

823, 38-
824, 1
Mrs. Cresspahl war ... Zoll lang sein - »The German roach, a half-inch long specimen [...] Says the father of a two-year-old on West End Avenue: 'When Billy sees a roach on the wall, we tell him it's a fly. We don't want him telling the neighbors' kids we've got roaches.« NYT Magazine 21.1.1968.

824, 10-21 von dem sackartigen ... auf die Flügel - »The roach starts life in a peapod-like capsule known as oötheca [...]. The baby roaches pop out of their eggs, then out of the oötheca (which splits along its seam) and molt - all within a matter of 10 minutes. They emerge as nymphs, complete miniature adults except that they are white in colour, lack wings and must wait a bit before they can mate«, NYT Magazine 21.1.1968.

824, 38 Die meist vorkommende ... hieß Deutsche Schabe - »The German roach, a halfinch long specimen who is the most numerous of the roaches in New York City«, NYT Magazine 21.1.1968; s.K. 826, 20-30.

824, 38 Deutsche Schabe - Blattella germanica, aus Asien stammend.

825, 6f. Denn sie fressen ... vom trockenen Möbelleim - »This means that the roach will eat virtually anything [...] book bindings [...] The roach also enjoys glue«; NYT Magazine 21.1.1968.

825, 12 Chlordan - Chlorpestizid, C10H16C18, gegen Ameisen und Kakerlaken, aber auch zur Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft eingesetzt; giftig für Menschen, Boden- und Wasserorganismen; in den meisten Ländern seit den 70er Jahren verboten.

825, 16f. daß die Viecher ... etwa den Ratten - »Eine erstaunliche Deutung für die in Jahrmillionen bewährte Überlebenstüchtigkeit der Kakerlaken gab vergangenen Monat der amerikanische Insektenforscher Dr. Robert T. Yamamoto: Er verwies auf die ungewöhnliche Reihenfolge, nach der die Schaben lebenswichtige Betätigungen einschätzen.
Eine Ratte beispielsweise, so erläuterte Yamamoto, denke immer zuerst ans Saufen, dann ans Fressen, dann erst an die Fortpflanzung. Ein Kakerlak hingegen, sei er noch so durstig oder hungrig, würde stets ›dem Sex den Vorzug geben‹ (Yamamoto)«, DER SPIEGEL 27.11.1967, S. 214.

825, 19-28 Es wurden Schauergeschichten ... funktioniert, ein Weltrekord - »[...] a fashionable Manhattan matron who says, ›I loathe them.‹ She adds, by way of illustration: ›I was sitting in a darkened room in a Mexican hotel, a few weeks ago, watching some home movies and fingering a brooch on my chest. I realized I hadn’t worn a brooch.‹ [...] They have, for example, an escape mechanism second to none: within 0,003 seconds of the receipt of a warning signal, they are off and running«, NYT Magazine 21.1.1968.

825, 36 die Amerikaner - Periplaneta americana, rotbraune mit 23-32 mm besonders große Art.

825, 37 die Orientalen - Blatta orientalis, Brot- oder Küchenschabe; kastanien- bis schwarzbraun, 19-25 mm.

826, 20-30 Die Schabe ist ... sie sind da - »The roach is the oldest extant winged insect, dating back more than 300 million years to carboniferous time, the Coal Age. [...] This means, for example, that the roach will eat virtually nothing and learn to like it.
The roach also enjoys glue [...]. The most puissant weapon in the roach’s adaptive arsenal is his ability to breed. The German roach, a half-inch long specimen who is the most numerous of the roaches in New York City, can produce hundreds of offspring. This knack, plus the German’s short (fivemonth) life cycle, has sent scientists and exterminators scrambling for new insecticides every decade or so. [...] He lives to eat and breed, not necessarily in that order«, NYT Magazine 21.1.1968.

827, 5 stinkend vor Angst - Der widerliche Geruch stammt von verschiedenen Duftdrüsen am Hinterleib, die zur Fortpflanzung und Abwehr genutzt werden.