03. November 1967
253, 11-14 Der Kanzler Westdeutschlands ... der Nazis benannt - Vgl. den Artikel »Ex-Nazi Aide Named Bonn’s Press Chief« der NYT vom 3.11.1967: »Chancellor Kurt Georg Kiesinger of West Germany today named an old colleague from the Foreign Ministry of Hitler’s Third Reich as Government press chief.
Günther Diehl, 51 years old, will take over as head of the West German Press and Information Service at the end of the year, succeeding Karl-Günther von Hase [...].
Mr. Diehl, who now heads the Foreign Ministry’s planning department, is an old friend of the Chancellor Kiesinger. Both served in the same section of the cultural section of Hitler’s Foreign Ministry during World War II. Press accounts said Mr. Diehl joined the Nazi party in 1938. Like Kiesinger, he apparently was only a nominal member of the party but never resigned his membership«; s.K. 173, 5f.

253, 12 Sprecher seiner Regierung - Günther Diehl (8.2.1916-25.8.1999), dt. Volkswirt, Journalist, Politiker (CDU) und Diplomat; seit 1938 Mitglied der NSDAP, nach eigenen Angaben nur »nominell«, aber wie Kiesinger nie ausgetreten; ab 1939 im Rundfunkrat des Auswärtigen Amtes; seit 1950 Chef vom Dienst im Bundespresseamt; 1952-56 Sprecher des Auswärtigen Amtes; 1956-60 Botschaftsrat in Chile; vom 15.11.1967 bis zum 22.10.1969 als Staatssekretär und Chef des Bundespresseamtes Regierungssprecher der BRD; neben Bruno Heck (s.K. 809, 21) der engste Berater des Bundeskanzlers Kiesinger; nach dem Ende der Großen Koalition 1970-77 Botschafter in Indien und anschließend bis zu seiner Pensionierung 1981 Botschafter in Japan; vgl. DER SPIEGEL 18.9.1967, S. 31f.; s.K. 1209, 2-7.

253, 15-18 Sie lernen es … er eine Ohrfeige - (Anachronistische) Anspielung auf jene Ohrfeige, die Beate Klarsfeld am 7.11.1968 auf dem CDU-Parteitag in Berlin Bundeskanzler Kiesinger verabreichte, um an dessen nationalsoz. Vergangenheit zu erinnern. B. Klarsfeld wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt, die auf vier Monate reduziert und zur Bewährung ausgesetzt wurde.

253, 17-26 der Schriftsteller Uwe ... der westdeutschen Nazipartei - Im Roosevelt Hotel, Madison Ave./45. Straße, New York, fand am 16.1.1967 der Vortrag »Germany - What is happening and what it means« von Dr. Joachim Prinz statt, an dem auch Uwe Johnson als Gesprächspartner teilgenommen hat. Johnson an Margret Boveri am 6.8.1970: »Der Schriftsteller Johnson ist bei dem Jewish American Congress aber tatsächlich mit einem Vortrag anlässlich des Hochkommens der Neonazi-Partei in Westdeutschland aufgetreten, nicht mit einer Lesung. Das Kapitel liefert einen Bericht über die wirkliche Veranstaltung, die die NEW YORK TIMES übersehen hatte«, Berbig (2002c), S. 404; vgl. Kaiser (1995a); Helbig (1995), S. 127f.

253, 22 Jewish American Congress - (engl.) Jüdisch-Amerikanischer Kongreß, richtig: American Jewish Congress; 1916 gegr., Sitz seit 1922 in New York, politisch aktivste säkulare jüd. Organisation in den USA.Geschaffen, um dem jüd. Volk bei den Friedensverhandlungen in Versailles eine Vertretung zu geben, ging daraus eine Bürgerrechtsorganisation hervor, die sich unter demselben Namen für politische, soziale, religiöse und kulturelle Interessen der amerik. Juden einsetzte. Der AJC unterstützte die zionistische Bewegung nach dem 1. Weltkrieg, organisierte Protestdemonstrationen gegen Hitler und half europäischen Juden, vor den Nazis zu fliehen. Nach dem 2. Weltkrieg setzte er sich für die Wahrung der Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit in den USA ein und unterstützte früh die schwarzen Bürgerrechtsbewegungen wie die Arbeiterpartei in Israel; Sitz: 15 East 84. Street, New York.

253, 24 Rabbi Joachim Prinz (früher Berlin Dahlem) - Dr. Joachim Prinz (10.5.1902-30.9.1988), seit 1937 in den USA; 1952 Vizepräsident des American Jewish Congress; seit 1958 Direktor der Conference on Jewish Material Claims Against Germany; s.K. 253, 22.

253, 24 Berlin-Dahlem - Ortsteil des Westberliner Stadtbezirks Zehlendorf im Südwesten Berlins, am Grunewald gelegen. In Dahlem befinden sich die Freie Universität sowie zur Zeit der Romanhandlung Einrichtungen und Wohnungen der amerik. Armee; s.K. 1622, 35.

253, 26 Wahlerfolge der westdeutschen Nazipartei - s.K. 136, 26f.

253, 32-
254, 5
ein Funktionär des ... Weltkrieg Loopings hieß - Johnson wurde tatsächlich auf diese Weise eingeführt; vgl. Brief vom 24.1.1967 an Renate Mayntz und Hann Trier, im Johnson-Archiv.

253, 34 Philadelphia - s.K. 92, 33.

254, 2 koscheres Essen - (hebr.) gutes Essen. Zu den jüd. Reinheitsgeboten zählen auch die Vorschriften für koscheres Essen, die ältesten gehen bis auf die Wanderung durch die Wüste Sinai zurück: Gegessen werden dürfen u.a. von den Säugetieren nur Wiederkäuer mit gespaltenen Hufen, nur Fische mit Flossen und Schuppen, nur bestimmte Vögel. Fleisch- und Milchprodukte müssen strikt getrennt werden, auch das Geschirr für deren Zubereitung und Verzehr; zwischen dem Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten muß ein Abstand von mindestens vier Stunden liegen. Tiere müssen auf eine spezielle Art geschlachtet werden (Schechita), anschließend sind alle Blutreste durch Waschen und Salzen aus dem Fleisch zu entfernen; vgl. 3. Mose 11, 9, 10 (s.K. 1545, 33-35); 17, 13; 5. Mose 12, 15-24 und 14, 3-20 und die Überlieferungen des Kaschruth; de Vries (1994), S. 162-185; s. 982, 13-18; 1339, 8; 1426, 9; 1785, 27.

254, 27 neuenglische - s.K. 14, 7f.; 43, 28.

254, 35 Einem meiner Lehrer zuliebe - Selbstzitat aus einem Festschriftenbeitrag für Hans Mayer; vgl. Johnson, Einer meiner Lehrer.

255, 5-7 Let me begin ... known as D.D.R. - (engl.) Lassen Sie mich damit beginnen, ja sie sogar erwähnen, die Ostdeutsche Republik, auch bekannt als D.D.R.

255, 22f. It wasn’t meant ... felt it was - (engl.) Es war nicht als ein Schlag ins Gesicht der überlebenden Opfer gemeint, auch wenn die Welt es so empfand.

256, 2 Charles G. Moerdler - Charles Gerard Moerdler, geb. 15.11.1934, Jurist; seit 1966 im »National Board of Governors« des American Jewish Congress (s.K. 253, 22); 1967-73 »Consultant housing, urban development and real estate to Mayor New York«.

256, 20f. Wer erzählt hier ... du doch, Johnson - Vgl. Günter Grass, »Örtlich betäubt«: »Wer erzählt hier, Dokter ... «, Grass (1987), Bd. 4, S. 68; »wir«: s.K. 46, 26; 230, 27f. Die Stelle wird in allen Untersuchungen zum Erzählen in den JT behandelt.

256, 22 Dann wurde der ... der Welt gebildet - Anspielung auf Goethe, Torquato Tasso, 1790, I, 2:
    Es bildet ein Talent sich in der Stille,
    Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.
Vgl. Gerlach (1980), S. 152; Schmidt (2000), S. 18; Scheuermann (2008), S. 37.

256, 27 Theresienstadt - Terezín (tschech.), nordböhmische Stadt an der unteren Eger. Von 1941-45 unterhielt die SS hier ein Ghetto mit einer Doppelfunktion als Durchgangslager für 88.000 Juden auf dem Weg in die Vernichtungslager und zugleich als Sonderlager mit jüd. Selbstverwaltung, das Ausländern zur Täuschung vorgeführt wurde. In Theresienstadt starben 33.000 Menschen; s.K. 36, 12.

256, 27 Treblinka - Vernichtungslager bei Lublin. Seit Juni 1941 bestand hier ein Strafarbeitslager, von Juli 1942 bis Oktober 1943 wurden nach poln. Schätzungen mehr als 750.000 Menschen in Gaskammern umgebracht oder erschossen. Die Leichen wurden ursprünglich in Massengräbern verscharrt, ab Frühjahr 1943 verbrannt; s.K. 36, 12; s. 1112, 4; 1391, 21f.; 1635, 24.

256, 28 Birkenau. Mein Leben. Auschwitz - Oswiecim (poln.), Stadt an der Weichsel in der Woiwodschaft Bielsko. Unweit der Stadt wurde 1940 von der SS ein KZ errichtet, in dem bis 1945 in eigens aufgebauten Industriebetrieben, Hütten, Bergwerken und in der Landwirtschaft Häftlinge arbeiten mußten. Mit Stamm- und Nebenlagern umfaßte der Komplex 40 km²; 50 Außenkommandos gehörten dazu. Insgesamt waren 405.000 Häftlingsnummern vergeben worden, die Zahl der Nichtregistrierten läßt sich nicht feststellen. In Auschwitz-Birkenau wurde das größte Todeslager der Nationalsozialisten errichtet. Unterstützt von Eichmann, ließ Lagerkommandant Rudolf Höß 1941/42 spezielle Vergasungsanlagen errichten, in denen seit September 1941 mit dem Giftgas Zyklon B Häftlinge umgebracht wurden. Opfer von Krankheiten, Exekutionen und Massenmord in den Gaskammern waren über eine Mio. Juden, Sinti und Roma, Polen und sowj. Kriegsgefangene; s.K. 36, 12; s. 794, 16; 814, 26; 946, 2; 1136, 4; 1474, 7; 1635, 25f.; 1786, 27-1789, 2.

256, 29 Bergen-Belsen - s.K. 36, 12; 232, 22f.

256, 29f. Mauthausen - s.K. 36, 12.

256, 30 Maidanek - Lublin-Majdanek wurde im Frühjahr 1941 als Kriegsgefangenenlager eingerichtet, seit dem 9.4.1943 offiziell in ein KZ umgewandelt. Die Gaskammern des Vernichtungslagers wurden aber schon Mitte 1942 benutzt, provisorische Gaskammern schon früher. Opfer waren vorwiegend poln. und tschechos. Juden. Arbeitsfähige Häftlinge mußten in dem SS-Unternehmen »OSTI« Sklavenarbeit leisten. In Gaskammern und durch Massenerschießungen sind in Majdanek mindestens 360.000 Menschen umgebracht worden; s.K. 36, 12; s. 1112, 4; 1165, 13.

257, 23 Madison Avenue - s.K. 76, 8f.