Ómagyar Mária-siralom (Altungarische Marienklage)
Frei von Kummer war mein Herz,
jetzt vergehe ich vor Schmerz,
welke hin vor Gram!
Ach, erloschen ist mein Licht,
da das finstre Blutgericht
meinen Sohn mir nahm.
Meinen Abgott, meinen süßen
einzigen Sohn raubt mir der Tod.
Seht, wie meine Tränen fließen!
Wo ist Trost in meiner Not?
Meine Augen sind von Zähren
überströmt und schon fast blind.
Hilflos, seiner Qual zu wehren,
seh ich, wie sein Blut verrinnt.
Wunder aller Rosen strahle,
laß der Welt als ewig' Licht
leuchten deine Wundenmale
dornbekränztes Angesicht!
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Du mein Sohn, mein einziger, süßer,
aller Schönheit nun beraubt,
schuldlos fremder Sünden Büßer,
neigst du stumm dein bleiches Haupt.
Schrei ich meine heißen Schmerzen
noch so laut heraus aus mir,
ach, in meinem wehen Herzen
brennen sie doch für und für.
Grimmer Tod, ich kann's nicht fassen,
daß du ihn, nicht mich gewollt.
Solltest ihn am Leben lassen,
der der Herr der Welt sein sollt'.
Wie es Simon einst offen
mir vorrausgesagt, so kam's!
Jählings, ach, hat mich getroffen
nun ins Herz der Dolch des Grams.
Opfern würde ich mein Leben,
dulden auch für dich, mein Sohn,
gerne ohne Widerstreben,
alle Marter, Spott und Hohn.
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Juden, durftet ihr es wagen
widerrechtlich - wie ihr wißt -
ihn zu fesseln und zu schlagen,
ihn, der ach so schuldlos ist!
Juden, habt ob meinem leide
ihr statt Mitleid nichts als Hohn,
ach, so kreuziget uns beide,
mich, die Mutter, und den Sohn!
(Martin Remané)
Ex: Vom Besten der alten ungarischen Literatur. Budapest 1978. S. 41f.
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