In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gibt es noch keine festen Ensembles an deutschen Theatern, ja es gibt die festen Theater erst nach und nach im Zuge der Nationaltheater-Bewegung. Vielmehr werden Theateraufführungen stets im Rahmen von Tourneen durchgeführt: Schauspieler sind ebenso wie alle anderen direkt an der Bühnenaufführung Beteiligten reisendes Volk: ein Direktor (>Prinzipal<) organisiert die Spielstätten, versammelt die >Truppe<, wählt und bearbeitet die Textvorlagen.

Gespielt wird in kleinen und großen Städten, aber auch in Schlössern des Adels. Dort ist die Belohnung bei Gefallen großzügig, in den Bürgerstädten wird während der Aufführungen gesammelt oder Eintritt erhoben. Das Spiel richtet sich deshalb ganz nach dem Geschmack der Zuschauer (meist einem >üblen Geschmack< im Sinne Gottscheds), die Unterhaltung steht so lange im Vordergrund, bis ein kunstverständigeres Publikum auch hier die Belehrung zu würdigen versteht. Die Aufführungen finden auf Plätzen (Holzbühnen), in großen Wirtshäusern oder selten in steinernen Bühnengebäuden statt, eines davon besaß die reiche Kunststadt Leipzig.

Die Schauspieltruppen stehen untereinander in harter Konkurrenz. Unter anderem werben sie sich gegenseitig bekannte und beliebte Schauspieler ab. Es darf auch keineswegs nach eigenem Gutdünken gespielt werden: In jedem Territorium erhalten immer nur wenige oder einzelne Gruppen das landesherrliche Privileg, spielen zu dürfen. Wer keine Erlaubnis erhält, muß ausweichen; die Itinerare deutscher Truppen reichen bis weit nach Rußland hinein und bis ins Baltikum. Um durch immer neue Programme mehr Publikum anzuziehen, heißt es entweder, das von Gottsched so bekämpfte Stegreif-Theater zu betreiben, oder beständig neue Stücke einzustudieren. Wie wenig gute Texte tatsächlich vorliegen, läßt sich daran erkennen, daß beispielsweise Lessing und Christian Felix Weiße unmittelbar für Aufführungen in Leipzig ausländische Stücke übersetzen.

Zu den bedeutendsten Schauspieltruppen gehört die der Prinzipalin Friederike Caroline Neuber, der Neuberin (1697-1760). Sie ist in der Literaturgeschichte besonders bekannt geworden, weil sie zeitweilig mit Gottsched zusammen die Möglichkeiten der Theaterreform erprobt hat. Weitere berühmte Prinzipale sind

Konrad Ekhof (1720-78)

Johann Friedrich Schönemann (1704-82)

Heinrich Gottfried Koch (1703-75)

Konrad Ackermann (1712-71)

 

Friederike Caroline Neuber (1697-1760) die Truppe der Neuberin

1697 als Friederike Caroline Weißenborn in Zwickau geboren
erhielt von ihrem Vater Französisch- und Lateinunterricht

1717 flieht zusammen mit dem Rechtsanwaltsgehilfen Johann Neuber
treten zusammen in die Theaterwandertruppe des Christian Spiegelberg ein
Wechsel zur Haackschen Wandertruppe, die das mecklenburgische und sächsische Patent besaß

1725 Sophie Haacke stirbt, ihr dritter Mann Carl Ludwig Hoffmann führt die Truppe unzureichend weiter,
bald darauf übernimmt das Ehepaar Neuber die Leitung unter Weitergewährung des sächsischen Theater-Privilegs

1727 beginnende Freundschaft mit Johann Christoph Gottsched

1730 Johann Friedrich Schönemann wird Mitglied

1731 Aufführung von Gottscheds Sterbender Cato

1733 nach dem Tod Friedrich Augusts I. verliert die Neubersche Truppe das sächsische Privileg an die Truppe des Harlekindarstellers Joseph Ferdinand Müller und darf nur noch zu Messezeiten in Leipzig spielen, tritt seitdem in Hamburg, Frankfurt/Main, Hannover, Lübeck, Kiel, Braunschweig und Straßburg auf

1734 Theateraufführungen am Dresdner Hof

1736 Herzog Karl Friedrich von Schleswig-Holstein verleiht ihr das schleswig-holsteinische Privileg und widmet ihr eine Subvention

1737 symbolische Vertreibung des Hanswurst vom deutschen Theater in einer Aufführung in Leipzig, weil der berühmteste Hans-Wurst-Darsteller, der direkte Konkurrent Müller, nun statt der Neubers das sächsiche Privileg erhält

1737 weicht die Neubersche Truppe vor den Agressionen des Harlekins Müller nach Hamburg aus und bittet den Stadtrat um die Bewilligung eines Monopols zur Errichtung eines festen Theaters, das Gesuch wird abgelehnt

1739 erste Zerwürfnisse zwischen Gottsched und der Neuberin

1740 Aufbruch der Truppe nach Rußland

1741 Wiederkehr

1743 kurzfristige Auflösung der Neuberschen Truppe

1744 Begegnung mit Gotthold Ephraim Lessing in Leipzig
Neustart mit zum Teil alten Ensemblemitgliedern in Leipzig

1748 Uraufführung von Lessings Jungem Gelehrten

1750 Niederlegung ihrer Prinzipalschaft, gibt zeitweise allein Gastspiele an verschiedenen Orten, aber ohne großen Erfolg

1755 erneuter Versuch, eine Schauspieltruppe unter ihrer Leitung mit Hilfe alter Mitglieder zu gründen

1756 endgültige Aufgabe nach Ausbruch des Dritten Schlesischen Krieges, erhält mit ihrem Mann Unterschlupf bei dem Königlichen Leibarzt Dr. Löber in Dresden

1759 stirbt Johann Neuber, Flucht aus Dresden infolge des Siebenjährigen Krieges

1760 einsam und verarmt stirbt die Neuberin in einem Bauernhaus in Laubegast

 

Konrad Ekhof (1720-78) Ekhofsche Truppe

1720 als Sohn eines Hamburger Stadtwächters geboren

1735 Tätigkeit als Postschreiber, später Schreiber bei einem Advokaten in Schwerin

1740 Eintritt in die Schönemannsche Truppe zusammen mit Sophie Charlotte Schröder und Konrad Ackermann
Wanderzüge von Hamburg bis Leipzig und von Berlin bis Breslau, Begegnung mit Gottsched

1749 Aufenthalt in Leipzig, Begegnung mit Christian Felix Weiße

1753 erläßt am 28.April in Schwerin seine Programmschrift zur Gründung einer Schauspielerakademie, entwirft als Stifter der Akademie die Satzungen

1754 letzte Akademierede
wegen mangelnder Teilnahme muß die Schauspielerakademie wieder geschlossen werden

1756 Gastspiel des Ensembles in Hamburg
Johann Friedrich Löwen übernimmt die Leitung der Schönemannschen Truppe, Zerwürfnis mit Schönemann

1757 Auflösung der Theatergruppe

1758 Eingliederung mit den verbliebenen Mitgliedern in die Kochsche Truppe in Lübeck

1764 wechselt nach Streitigkeiten über zur Ackermannschen Truppe nach Braunschweig

1767 nach Ackermanns Sturz durch Löwen und der Gründung des Hamburger Nationaltheaters übernimmt er die künstlerische Leitung
enge Zusammenarbeit mit Lessing
tritt nach der Schließung des Nationaltheaters der Seylerschen Wandertruppe bei
übernimmt die Leitung der Gruppe nach finanziellen Schwierigkeiten

1771 große Erfolge Ekhofs in Wetzlar

1774 Gastspiel am Weimarer Hof unter der Gönnerschaft von Herzogin Anna Amalia

1774 seit Juni Aufführungen bei Herzog Ernst II. in Gotha
Gründung eines Gothaer Hoftheaters unter seiner künstlerischen Leitung

 

Johann Friedrich Schönemann (1704-82) Schönemannsche Truppe

geboren in Crossen an der Oder, verliert früh seine Eltern, wächst bei Verwandten in Berlin auf, Besuch des Gymnasiums, anschließend wahrscheinlich Studium der Medizin

1724 Eintritt in die Förstersche Truppe

1725 Auftritte in Hamburg

1730 Wechsel zur Neuberschen Truppe

1740 verläßt die Gruppe und gründet eine eigene, verpflichtet Konrad Ekhoff, Sophie Charlotte Schröder und Konrad Ackermann, später auch Heydrich von der Neuberin-Gruppe
erster Auftritt im Reithaus in Lüneburg mit Hilfe seines Schwiegervaters, dem Direktor der Ritterakademie in Lüneburg
Gastspiele in Mecklenburg, u.a. in Rostock
Einladung vom Herzog Christian Ludwig II.an den mecklenburgischen Hof zu Schwerin

1741 Aufführungen zur Ostermesse in Leipzig mit Gottscheds Unterstützung
ausführliche Würdigung der Schönemanschen Truppe in der Vorrede zum 3. Band von
Gottscheds Deutscher Schaubühne.
Wechsel nach Hamburg
Schröder und Ackermann verlassen nach Streitereien die Truppe und gründen eine eigene die Schauspielergruppe geht an den Schweriner Hof

1742 im September Auftritte im Berliner Rathaus mit der Genehmigung Friedrichs II.
Starke kehrt zurück, Johann Christian Krüger (Dichter und Schauspieler) wird neues Mitglied, das Bauprojekt für ein deutsches Theaterhaus in Berlin wird mangels Unterstützung durch den König fallengelassen, er erteilt aber ein Privileg, wodurch die Truppe Spielrecht für ganz Preußen erhält

1744-50 Gastspiele auf der Breslauer Messe, in Danzig und Königsberg, weiterhin in Leipzig, Halle, Braunschweig, Celle, Hannover und Hamburg, Distanzierung von Gottsched

1748 Schönemann bringt mit Unterstützung die ersten beiden Bände seiner eigenen Schaubühne heraus, als Gegenstück zu Gottscheds Textanthologie

1748/49 Johanna Christiane Starke, geb. Gerhardt tritt der Truppe bei

1749 Aufenthalt in Leipzig

1750 im Oktober Rückkehr ins Schweriner Schloß

1750 Bau eines kleinen höfischen Komödiantenhauses in der Zweitresidenz Rostock

1751 im Mai wird das Theaterhaus mit großem Erfolg eröffnet
feste Einstellung der Ensemblemitglieder als Hofkomödianten durch den Herzog mit der Erlaubnis, vier Monate im Jahr in Hamburg gastieren zu dürfen

1751 Gastspiel im Hamburger Opernhaus am Gänsemarkt von August bis Oktober

1753 Schönemann wird offizieller Leiter der neugegründeten Schauspielerakademie

1754 Schließung der Schauspielerakademie mangels reger Teilnahme

1756 am 6. Oktober wird Lessings Miß Sara Sampson mit gewaltigem Zuspruch in Hamburg aufgeführt
Schönemann zieht sich zurück, an seiner Stelle übernimmt sein Schwiegersohn, der Dramaturg Johann Friedrich Löwen, die Leitung der Schönemannschen Truppe

1757 Mißerfolge führen zur Auflösung der Truppe am 2. Dezember
Schönemann endet als Trinker und Zechpreller im Gefängnis

 

Heinrich Gottfried Koch (1703-75) Kochsche Truppe

1749 in Leipzig gegründet

nach 1764 Gastspiele am Dresdner Hof, im Leipziger Schauspielhaus, am Weimarer Hof

1766 verwendet erstmalig andeutungsweise aktuelle Kostüme in einer Aufführung im Leipziger Schauspielhaus

1771 eröffnet am 10. Juni nach Verleihung eines Privilegs das Privattheater in der Behrenstraße in Berlin

1772 am 6. April Erstaufführung von Lessings Emilia Galotti
führt als erster Spielhonorare auf deutschsprachigen Bühnen ein

1775 stirbt Koch am 3. Januar

 

Konrad Ackermann (1712-71) Ackermannsche Truppe

1712 in Schwerin geboren

1740 Eintritt in die Schönemannsche Truppe

1741 verläßt zusammen mit Sophie Charlotte Schröder die Gruppe, Reisen von Hamburg über Rostock und Danzig nach Rußland
Heirat mit Sophie Charlotte Schröder

1751 Gründung einer eigenen Wandertruppe, erneute Rußlandfahrten
Investitionen in den Bau eines neuen Königsberger Schauspielhauses

1753 die Gruppe verläßt nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges Ostpreußen, es folgen Gastspiele durch ganz Deutschland, 1754 in Berlin

1758 Begegnung mit Wieland während eines Züricher Aufenthaltes

1764 Beitritt Konrad Ekhofs, Eröffnung der Spielzeit in Hamburg am 6. September im alten Komödienhaus am Dragonerstall
Gastspiel in Bremen, währendessen Ackermann in Hamburg ein eigenes Schauspielhaus anstelle des alten Opernhauses am Gänsemarkt bauen läßt

1765 am 31. Juli wird das neue Theater eröffnet

1765 Johann Friedrich Löwen, Schwiegersohn Ackermanns und Dramaturg/ Prologschreiber der Truppe,bringt nach seinen Kurzgefaßten Grundsätzen von der Beredsamkeit des Leibes die unter Ekhofs Mitwirkung entstandene Geschichte des deutschen Theaters heraus, es entstehen Schulden durch den Theaterneubau und Zwistigkeiten zwischen Löwen und Ackermann

1766 Löwen verkündet die Programmschrift für ein Hamburger Nationaltheater und stürzt Ackermann

1767 durch Löwens Bestreben erklären sich im Frühjahr zwölf Hamburger Bürger bereit, eine Entreprise zu bilden, mit deren finanzieller Unterstützung die Existenz des Hamburger Nationaltheaters sichergestellt werden soll, fast das gesamte Ackermannsche Ensemble wird übernommen

1767 Lessing nimmt den Posten eines Dramaturgen an

1767 am 1. Mai bringt Lessing den ersten Teil seiner Hamburgischen Dramaturgie heraus
mangels Publikum weicht das deutsche Nationaltheater nach Hannover aus
Ackermann übernimmt wieder die Prinzipalschaft, durch Unstimmigkeiten wandern jedoch die besten Ensemblemitglieder zur Seylerschen Truppe ab