4.6 Erwerbstätigkeit
Soziale Ungleichheit folgte im wesentlichen aus verschiedener Erwerbstätigkeit oder
unterschiedlicher Stellung im Lebenszyklus. Über letztere lassen sich für 1678 keine quantitativen
Aussagen machen, da das Steuerregister das Alter der Haushaltungsvorstände nicht erfaßte. Von
ihnen waren zwar 82, rund ein Fünftel, Witwen oder Witwer, mithin häufig in fortgeschrittenem
Alter und meistens auch arm. Auch bei den Nichtverheirateten findet sich nicht selten die
Bemerkung "alt" oder "arm", doch erlauben diese Informationen nur die qualitative Feststellung,
daß Alter oft mit Armut einherging.
Über die Erwerbstätigkeit der Steuerpflichtigen hingegen liegen fast vollständige Angaben vor, da
die Berufe den Steuerklassen zugewiesen werden mußten. Daher läßt sich die Berufsstruktur der
Stadt Oldenburg wie der einzelnen Straßen für 1678 genau ermitteln. Allerdings ergeben sich
dabei Probleme der Darstellung aufgrund der hohen Differenzierung frühneuzeitlicher
Berufsbezeichnungen. Geht man von den ursprünglichen Eintragungen aus, dann bildeten die
Tagelöhner mit 44, die Hökerer mit 26, die Schneider mit 21, die Bäcker mit 18 und die
Fuhrleute mit 17 Vertretern die fünf stärksten Berufe, aber zusammen machten sie nur ein gutes
Drittel der 364 Haushalte aus, deren Erwerb bekannt ist. Der Schluß, Oldenburg sei eine
Dienstleistungsstadt mit beachtlichem Textil und Nahrungsmittelgewerbe gewesen, ist auf dieser
schmalen Basis kaum möglich. Ein solcher erster Eindruck bedarf genauer Überprüfung. Der
Weg führt über die Bildung von Berufsgruppen.
Die in Übereinstimmung mit der Hamburger Berufssystematik (10) aus den Einzelberufen zusammengefaßten
zehn Gruppen sind für die Gesamtstadt 1678 in Tabelle
10 dargestellt.
An der Spitze stand das Textil- und Bekleidungsgewerbe mit 77 Mitgliedern oder knapp 20
Prozent der Haushalte. Es folgten Unspezifische Lohnarbeit mit 51 Tagelöhnern oder gut 13
Prozent und der Handel mit 48 Personen oder gut 12 Prozent. Auf dem vierten Platz lagen die
45 im Bereich Nahrung und Genußmittel Tätigen mit einem Anteil von knapp 12 Prozent. Diese
vier Gruppen erreichten bereits rund 57 Prozent aller erwerbstätigen Haushaltsvorstände.
Bedeutend waren noch Transport und Verkehr mit 24 Angehörigen oder über 6 Prozent, das
Bauwesen mit 21 und die Holzverarbeitung mit 20 Erwerbstätigen, jeweils entsprechend rund 5
Prozent. Erwähnenswert sind ebenfalls die Kommunale Verwaltung mit 14 und das
Metallgewerbe mit 11 Mitgliedern, entsprechend über und knapp 3 Prozent Anteil. Diese
Gruppen deckten vier Fünftel der Erwerbstätigkeit in Oldenburg ab. Die anderen zeigen die Breite
der wirtschaftlichen Aktivitäten, fallen jedoch zahlenmäßig nicht ins Gewicht.
Die Rangfolge dieser Verteilung ist für frühneuzeitliche Städte nicht ungewöhnlich, die Anteile
von Handel und Transport jedoch dürfen als für Oldenburg spezifisch stark ausgeprägt gelten.
Die Erwerbsstruktur wird noch deutlicher, wenn man die Berufs gruppen dem sekundären und
dem tertiären Wirtschaftssektor der produzierenden und dienstleistenden Gewerbe zuordnet. Von
den 352 Haushaltsvorständen mit sicherer Berufsangabe sind 183 zum sekundären Sektor zu
zählen, was einem Anteil von rund 52 Prozent entspricht. Das ist für die frühe Neuzeit
vergleichsweise wenig. Die übrigen gut 48 Prozent gehörten dem tertiären Sektor an, insgesamt
169 Personen, von denen 138 im privaten Dienstleistungsbereich in Handel, freiberuflicher
Justiz, Gesundheitswesen, Transport oder als Tagelöhner beschäftigt waren, also gut 39 Prozent.
Im kommunalen Bereich kamen 31 Personen oder rund 9 Prozent hinzu: Bürgermeister und
Ratsherren; in Kirche, Schule und Verwaltung Tätige. Daran zeigt sich klar der Charakter
Oldenburgs als einer Dienstleistungsstadt, der bei Einbeziehung der staatlichen Amtsträger, die
leider nicht möglich ist, noch deutlicheres Profil gewonnen hätte. Auch das Textil- und
Bekleidungsgewerbe war zahlenmäßig sehr stark, so daß sich der erste Eindruck bei Betrachtung
der häufigsten Berufe durch die Bildung von Berufsgruppen bestätigen ließ.
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