4.5 Steuerveranlagung
4.5.1 Gesamtsummen
Noch zuverlässiger als an der Ausstattung mit Dienstpersonal läßt sich die wirtschaftliche Stärke
der Haushalte an ihrer Steuerveranlagung messen, sofern diese sich nach der Leistungsfähigkeit
richtete. Das war bei der Steuer von 1678 nur bedingt der Fall, doch berücksichtigte sie sowohl
durch die Klassen der Kopfsteuer wie durch die Heranziehung von Vermögenswerten die
unterschiedlichen Einkommensverhältnisse der Steuerpflichtigen. Ihre Angaben eignen sich daher
zur ungefähren Klärung der Finanzkraft der Haushalte und der von ihnen bewohnten Straßen. In
der Tabelle 8 sind die Steuerklassen und die Steuerbeträge ausgewiesen; die Reihenfolge der
Straßen richtet sich nach der durchschnittlichen je Haushalt veranlagten Summe. Tabelle 8
In der Steuerklasse 1 des Adels gab es in Oldenburg nur eine Person es war der Rat Hanneken
(8). Das überrascht nicht, denn die am Hof und
in der Regierung tätigen Adligen unterstanden nicht der Besteuerung durch die Stadt. Die
Steuerklasse 2 der stadtbürgerlichen Oberschicht bestand aus 61 Personen, entsprechend 15
Prozent der 409 Haushalte. Die größte Gruppe bildete mit 203 Steuerpflichtigen oder rund 50
Prozent die Steuerklasse 3 der Mittelschicht vornehmlich Handwerker , gefolgt von der
Steuerklasse 4 der Unterschicht hauptsächlich Tagelöhner mit 124 Haushalten oder 30
Prozent. Darunter standen noch 20 Arme rund 5 Prozent , die keiner Steuerklasse zugeordnet
wurden. Darin zeigt sich eine schiefe Verteilung: neben der Mittelgruppe standen mehr als
doppelt so viele Leistungsschwächere wie Leistungsstärkere.
Die veranlagten Steuerbeträge schwankten zwischen 0 und 8.647 Grote, entsprechend 120
Reichstaler, die Lambert Bunnemann in der Langen Straße erlegen sollte (9). Im Durchschnitt belief sich der je Haushalt
veranlagte Betrag auf 675 Grote. Mit großem Abstand darüber lagen die Lange Straße und der
Markt mit über 1148 Grote, aber auch die Kleine Kirchenstraße, die Achternstraße, die
Schüttingstraße und die Kurwickstraße kamen mit 999 bis 679 Grote auf Werte über dem
Durchschnitt. Es waren die Straßen der Wohlhabenden; hier wohnten allein 56 der 62
Angehörigen der Steuerklassen 1 und 2. Besonders die Lange Straße hebt sich heraus: ganz im
Gegensatz zur städtischen Verteilung bildeten hier die obersten Steuerklassen mit 41 Haushalten
die stärkste Gruppe, während die Klasse 3 mit 36, die Klassen darunter nur mit 15 Haushalten
vertreten waren.
Unterdurchschnittliche Beträge zwischen 621 und 511 Grote wiesen die Baumgartenstraße, die
Mühlenstraße, die Mottenstraße und die Staustraße auf; hier wurde nur drei Mal die Steuerklasse
2 vergeben, 45 Mal Klasse 3 und 15 Mal Klasse 4 oder keine. Deutlich überwog hier die
Mittelschicht. Eine Verschiebung nach unten wird in den Straßen deutlich, die zwischen 446 und
362 Grote lagen: Abraham/Winkelgang, Gaststraße, Bergstraße, Haarenstraße, Stau und Häusing.
In der Steuerklasse 2 gab es dort noch zwei Haushalte, in der 3. Klasse 52 und in der Klasse 4
und darunter 66 die Unterschicht war zahlenmäßig schon stärker als die Mittelschicht.
Wirtschaftlich schwach zeigen sich die Burgstraße, Bei der Mauer und die Neue Straße, die
durchschnittliche Steuerbeträge von 213 bis 72 Grote erreichten. Hier kamen nur 15 Haushalte
in die Steuerklasse 3 1 und 2 gab es gar nicht , aber 38 in die Klassen darunter. Die
Unterschicht dominierte.
Die Betrachtung der maximalen Steuerfestsetzungen in den Straßen macht deutlich, daß ihre
Rangfolge nicht mit der der durchschnittlichen Summen übereinstimmt. Sehr hohe Beträge finden
sich in sonst finanziell schwachen Straßen wie am Stau, in der Gaststraße oder auch in der
Mühlenstraße; dagegen lag der in der überdurchschnittlich starken Kurwickstraße veranlagte
Maximalbetrag weit darunter. Diese Abweichungen deuten darauf hin, daß die Einwohnerschaft
der Straßen nicht homogen, sondern sozial ungleich zusammengesetzt war. Reiche, mittelmäßig
Begüterte und Arme lebten auch in den Straßen nebeneinander, und man kann nur vom
Überwiegen der einen oder anderen Gruppe sprechen.
Greift man abschließend die wichtigsten drei Straßen heraus, wird das unterschiedliche
Sozialprofil der Stadt besonders deutlich. Die Lange Straße, die Achternstraße und die
Haarenstraße waren, wie die Tabelle 4 ergibt, die einwohnerstärksten Straßen; hier lebte knapp
die Hälfte aller Oldenburger. Mit dem Überwiegen der Oberschicht und einem durchschnittlichen
Steuerbetrag von 1.270 Grote knapp 18 Reichstaler stand die Lange Straße mit Abstand an der
Spitze. In der Achternstraße dominierte die Mittelschicht mit einer Steuersumme von 798 Grote
rund 11 Reichstaler je Haushalt. In der Haarenstraße zeigte sich die Unterschicht schon stärker
als die Mittelschicht; die Steuerpflichtigen brachten es dort auf 398 Grote nicht ganz 6
Reichstaler. Die ungleiche und zugleich arbeitsteilig bedingte Sozialstruktur kommt damit
sinnfällig zum Ausdruck.
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