Stettin (Szczecin)

Unter den hier vorgestellten Hansestädten spielt Stettin eine herausragende Rolle, sowohl in der Dramatik ihrer Geschichte wie in ihren Entwicklungsmöglichkeiten. Stettin gehört zu Pommern, kommt 1648 unter schwedische, 1720 (nach dem Nordischen Krieg) unter preußische Herrschaft. Seit 1945 ist es polnisch. Bereits 1121 erwähnt, wird Stettin 1124 vom Bischof Otto von Bamberg christianisiert. Herzog Barnim I. regelt 1237 die Pfarrzugehörigkeit der slawischen (zu St. Peter und Paul) und deutschen Einwohner (zu St. Jakobi) und verleiht 1243 der Stadt Magdeburger Recht. Damit bildet Stettin einen eigenen, nichtlübischen Rechtskreis. Ausgehend von der slawischen Burg auf einer Anhöhe über der Oder entsteht am Flußufer die Unterstadt slawischer Fischer und Kaufleute mit dem Fischmarkt, die sich durch Zuzug deutscher und dänischer Händler nach Süden erweitert. Die Bebauungsabschnitte lassen sich an den Straßennetzen der Stadtteile noch gut erkennen. Zwischen den beiden Gebieten der Unterstadt liegen die Nikolaikirche (belegt 1243) und das Rathaus, davor der Heumarkt. Ihren südlichen Abschluß bildet die Johanniskirche (erwähnt 1240). Die älteren Pfarrkirchen - Jakobi (1187 erwähnt), Peter und Paul (1237 belegt) - befinden sich noch außerhalb der Stadt. Die Neustadt oder Oberstadt wächst in westlicher Richtung über die Jakobikirche, den Kohlmarkt und den Roßmarkt hinaus; sie findet im Norden mit der Marienkirche (belegt 12261) ihren Abschluß. Die Stadtteile bilden 1263 eine Einheit und werden 1275-1325 mit einer Mauer mit 4 Wassertoren und 4 Landtoren umgeben. Nach Besetzung durch Schweden 1630 wird die Stadtbefestigung nach dem Bastionärsystem grundlegend modernisiert. Der Plan zeigt die 9 Bastionen der Schwedenzeit mit davor liegenden Außenwerken. Zwei Brücken - Baumbrücke und Lange Brücke - überqueren die Oder, auf deren jenseitgem Ufer die Vorstadt Lastadie mit dem Pesthospital und der Gertrudenkirche entstanden ist. In preußischer Zeit erfährt die Befestigung nochmals Erweiterungen 1724-1740 (erhalten ist das Berliner Tor) und 1845-1870, deren Flächen nach der Entfestigung 1873 städtebaulich anspruchsvoll für die notwendige Stadterweiterung genutzt werden. Der Stich von Merian zeigt die Stadt aus der Vogelperspektive von Westen aus. Stettin hat beste Standortbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten, denn die Oder erschließt ein weites Hinterland. Die Stadt erhält 1278 (mit den wendischen Hansestädten) Handelsrechte in Dänemark, erwirbt 1283 das Stapelrecht, 1312 das Alleinrecht zur Ausfuhr von Getreide, Mehl und Holz über die Oder. Sie schließt 1352 ein Bündnis mit Lübeck, Rostock und Wismar. Neue Impulse erhält sie als fürstliche Residenz sowie Festungs- und Garnisonsstadt in der Neuzeit. Zwar erwirbt die Stadt 1249 den fürstlichen Burgbezirk, aber 1346 kehrt der Stadtherr zurück: Herzog Barnim III. errichtet ein Steinhaus (mit der Ottokirche), das seine Nachfolger im 16. Jahrhundert zum prächtigen Renaissanceschloß ausbauen. Hof und Zentralverwaltung bringen Kaufkraft und Glanz in die Stadt. Die Reformation beginnt in Stettin 1523. Aus säkularisiertem Kirchengut wird 1543 eine Fürstenschule gegründet, die 1667 in das Akademische Gymnasium Carolinum übergeht. Seit 1811 besteht ein Lehrerseminar; eine Universität erst seit 1985. Mit dem Aussterben des Herzogshauses 1637 verliert Stettin seine zusätzliche Funktion als Residenz, bleibt aber Regierungssitz und wandelt sich zur Festungs- und Garnisonsstadt, in die erhebliche Mittel des modernen Militär- und Verwaltungsstaates (Schweden, ab 1720 Preußen) fließen. Im Rahmen des Territorialstaates erlebt Stettin - anders als Wismar, Rostock und Stralsund - schon im 18. Jahrhundert einen beachtlichen Aufstieg als wichtigster Hafen der preußischen Kernlande, als Standort von Textil- und Tabakmanufakturen sowie Zuckerraffinerien, welche zum Teil merkantilistische Förderung genießen. Hugenotten kommen mit neuen Gewerben 1724 in die Stadt. Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts, begünstigt durch frühe Eisenbahnverbindung 1843 mit Berlin, führt zur Gründung von Werften, Zement-, Schamotte- und Chemiefabriken, zu Betrieben des Maschinenbaus und der Papierherstellung. Stettin entwickelt sich rasch zur modernen Großstadt, die sich auch städtebaulich sehen lassen kann. Die Stadt hat 1600 rund 12.000 Einwohner, 1720 noch 6.081, 1794 wieder 16.700 und 1900 über 200.000.

Karte von Stettin

Bild von Stettin


Anmerkungen

Piskorski

Wehrmann

Titelblatt