2. Zur Sozialtopographie Stralsunds 1706/07 (S. Kroll)
2.1. Fragestellungen und Methoden der historischen Sozialtopographie
Die historische Sozialtopographie ist ein noch relativ junger Zweig der Geschichtswissenschaft. Ihr zentrales Anliegen besteht - vereinfacht ausgedrückt - darin, herauszufinden, welche Teile der Bevölkerung wo gelebt haben. Dabei geht sie der Frage nach, welchen Einfluß eine vorgegebene Siedlungsform mit ihrer dazugehörigen baulichen Gliederung auf die Lebensweise und die sozialen Bindungen der in ihr lebenden Menschen besessen haben.
[DEN80] Hiervon ausgehend, bemüht sich die sozialtopographische Forschung, regelhafte Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und räumlicher Verteilung der Bevölkerung aufzuzeigen. In sozialtopographischen Analysen werden soziale Merkmale, die auf statistischen Daten beruhen, möglichst flächendeckend auf zeitgenössischem oder rekonstruiertem Kartenmaterial wiedergegeben. Die bisherige Forschung hat sich auf die Stadt als Untersuchungsgegenstand konzentriert, da sich hier soziale Raumstrukturen besonders deutlich ausprägen. In den letzten Jahren sind eine ganze Reihe einschlägiger Studien erschienen, so daß das Bild von der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Stadt zunehmend an Konturen gewonnen hat.
[HIP95] Durchweg zum "Standard" wird das Vorhandensein eines systematischen Stadtplanes mit Parzellenschärfe
gerechnet.
[NEM89] Da die frühesten Stadtpläne, die diese Ansprüche erfüllen können, häufig erst aus dem späten 18. oder 19. Jahrhundert stammen, sind für die Untersuchung weiter zurückliegender Zeiträume vielfach Rückschreibungen erforderlich. Zu dem üblicherweise herangezogenen statistischen Material gehören vor allem Verzeichnisse der direkten Vermögensbesteuerung, gebäudebezogene Daten wie der Hauswert, Berufslisten, Angaben zur Zahl der Familienangehörigen, Dienstboten und Untermieter und anderes mehr.
[KRO92]